Es gibt eine einfache Frage, die die Akteure in Blockchain-Kreisen so richtig in Wallung bringen kann: Welche Chain? Wird eine einzige öffentliche Blockchain wie Ethereum die eine Lösung sein, auf die alle setzen sollten? Oder werden mehrere Ketten auf dem Markt koexistieren?
Für Jutta Steiner, Gründerin und CEO von Parity Technologies, fällt die Antwort ganz leicht: Alle Chains müssen zusammenarbeiten, und sie und ihr Team haben die Antwort mit einer Reihe von Tools, darunter Polkadot und Substrate.
Frauen wie Jutta Steiner sind in der von Männern geprägten Kryptowelt noch immer eine Ausnahmeerscheinung. Die promovierte Mathematikerin kennt aber diese Erfahrung, denn das war schon in den MINT-Fächern an der Schule und später an der Uni so.
“Ich komme aus dem Bereich der mathematischen Physik”, sagte Steiner in einem Interview des Female Founders Monitors vom Bundesverband Deutsche Startups. Das bedeutete einerseits viel Theoretisches, abstrakt Mathematisches, aber immer mit einem konkreten physikalischen oder technischen Bezug. Mathematik anzuwenden hat mich schon immer interessiert und findet sich auch bei dem, was ich jetzt mache, wieder.” Das Spannende sei, dass an der Uni Mathematik zumeist nur auf naturwissenschaftliche Probleme angewandt worden sei. “Aber bei Blockchain kannst du Mathematik dafür einsetzen, Koordinierungsprobleme zwischen Menschen zu beheben. Das fand ich von Anfang an sehr spannend. Diese völlig andere Art von Anwendungsbereichen hat mich sofort fasziniert – also nicht nur Statistik und reine Analytik, sondern ein konstruktiver Ansatz.”
Mit dieser Haltung hat sie es in der Kryptowelt weit nach oben geschafft. Nach ihrer Promotion in Angewandter Mathematik arbeitete sie zunächst bei der Unternehmensberatung McKinsey. Die Enthüllungen von Edward Snowden 2013, mit denen die Abhörpraktiken der angloamerikanischen Geheimdienste NSA und GCHQ aufgedeckt wurden, schockierten sie – und brachten sie auch von einem klassischen Karriereweg ab.
Seitdem setzt sie sich für ein dezentralisiertes Internet ein, in dem nicht die großen Tech-Konzerne das Sagen haben. „Ich hoffe nicht, dass das Internet so bleiben wird, wie es Internet heute ist. (…) Ein Netz mit zentralisierten sehr mächtigen Firmen“, sagte Steiner 2017 in einem Interview des Hochschulforums Digitalisierung. Dies sei ein Grund dafür, wie sich die technische Architektur entwickelt habe. „Also die Tatsache, dass im Hintergrund Server sitzen über die die User letztendlich bedient werden.“
Auf der Technologiekonferenz TechCrunch 2018 erinnerte Steiner das Publikum an die jüngsten Facebook-Skandale rund um Cambridge Analytica: “Wir müssen einfach darauf vertrauen, was der Anbieter uns sagt”, sagte sie. “Mein langfristiger Traum ist eine Welt, in der die Nutzer viel mehr Kontrolle über ihre Daten haben.”
Um an der Verwirklichung dieses Traums mitzuwirken, kündigte sie bei McKinsey und schloss sich 2014 dem Ethereum-Projekt an – einer Plattform mit eigener Digitalwährung („Ether“), die zu viel mehr imstande ist als Bitcoin. Über sie lassen sich sicher und dezentral Verträge jeder Art abwickeln. Steiner war in der Ethereum-Stiftung vor dem Start der Ethereum-Blockchain im Jahr 2015 für den Sicherheitsaudit zuständig.
Wenn man Steiner nach dem Unterschied zwischen Bitcoin und Ethereum fragt, lautet die “Bitcoin ist wie ein Taschenrechner, Ethereum ist wie ein Smartphone.”
Bitcoin erlaube einfache Transaktionen vorzunehmen, Geld hin und her zu schicken. “Auf Ethereum kann man im Prinzip beliebige Applikationen bauen.” Ethereum sei ganz am Anfang einfach ein ganz loser Zusammenschluss von Entwicklern gewesen, “die diese Idee spannend fanden und versucht haben, genau diese Idee in einer Plattform umzusetzen.”
Nach dem Abschluss des Ethereum-Sicherheitsaudits gründete sie zusammen mit dem britischen Informatiker Gavin Wood Parity Technologies., der zuvor schon zu den führenden Köpfen in der Ethereum Foundation. Parity ist einer der beliebtesten Software-Clients von Ethereum. Unter ihrer Leitung musste sich Parity mit einem Software-Wallet-Hack auseinandersetzen, bei dem Krypto-Token im Wert von Hunderten von Millionen Dollar durch einen Softwarefehler eingefroren wurden.
Danach widmete Steiner ihre Aufmerksamkeit vor allem Polkadot, einem Projekt, das die Interoperabilität von Blockchain-Technologien fördern soll. “Im Moment sind wir dabei eine neue Plattform zu entwickeln, eine neue Blockchain, das nennt sich Polkadot und wird mehrere Blockchains miteinander vernetzen können”, kündigte sie bereits 2017 in dem Interview mit dem Hochschulforum Digitalisierung an. Es gebe zwar das Ethereum-Netzwerk und Bitcoin. “Aber die laufen im Moment alle nur nebeneinander her.” Um die Vision eines Internets der Blockchains Realität werden zu lassen, brauche es ein weiteres Protokoll, das diese alle vernetzt. “Und das ist was, an dem wir momentan arbeiten.”
Am 26. November 2021 meldete Coindesk, dass Jutta Steiner Parity Technologies verlassen hat. In dem Bericht heißt es:
Jutta Steiner, Mitbegründerin und CEO von Parity Technologies, hat das Blockchain-Infrastrukturunternehmen, das hinter dem Polkadot-Blockchain-Netzwerk steht, verlassen.
Ein Parity-Vertreter bestätigte gegenüber CoinDesk, dass Steiner Anfang des Jahres zurückgetreten ist, nachdem sie das Unternehmen seit 2015 geleitet hatte.
Der Vertreter bestätigte auch, dass Gavin Wood, ein Mitbegründer der Ethereum-Blockchain, die Rolle des CEO übernehmen wird.
Steiner lehnte einen Kommentar ab, als er von CoinDesk kontaktiert wurde.
Seite Ende 2021 legt Jutta Steiner eine Erziehungszeit ein.
In der Rubrik “Krypto-Köpfe” sind folgende Porträts erschienen:’
Quellen:
TechCrunch.com (6. Juli 2018): Parity’s Jutta Steiner says the future of blockchain is many chains working together (Abgerufen: 1. November 2021, 20:55 UTC)
TechCrunch Disrupt auf Facebook (5. Dezember 2017): In Conversation with Gavin Wood and Jutta Steiner (Abgerufen: 1. November 2021, 20:55 UTC)
FAZ.net: “Die klugen Köpfe der Kryptowelt” (24. Oktober 2021). In faz.net https://zeitung.faz.net/fas/geld-mehr/2021-10-24/856fc21ab5108e58b860aae8da77253d/ (Abgerufen: 1. November 2021, 15:49 UTC)
Gründerszene.de (27. April 2018): Parity-Millionen in Kryptowährung wohl für immer verloren (Abgerufen: 1. November 2021, 20:55 UTC)
Hochschulforum Digitalisierung (24. Oktober 2017): Jutta Steiner über Blockchain: “Das Internet sollte nicht bleiben, wie es ist” (Abgerufen: 1. November 2021, 20:55 UTC)
Interview #FFM19 mit Jutta Steiner. In Female Founders Monitor https://femalefoundersmonitor.de/interview/jutta-steiner-gruenderin-und-ceo-bei-parity/ (Abgerufen: 1. November 2021, 20:55 UTC)