Vor einem Jahr hat El Salvador als erstes Land der Welt den Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt. Der salvadorianische Präsident Nayib Bukele versprach damals der Bevölkerung eine goldene Zukunft. Angelockt durch ein Startguthaben sollte sich die digitale Geldbörse Chivo Wallet massenhaft verbreiten.
Seit dem 7. September 2021 sind Händler in El Salvador durch das sogenannte Bitcoin- Gesetz verpflichtet, diese Kryptowährung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Es war damit das erste Land der Welt, das diese Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel einführte. Nach der anfänglichen Euphorie hat die Maßnahme die salvadorianische Wirtschaft nicht so revolutioniert, wie von ihren Befürwortern, vor allem der Regierung von Präsident Bukele, erwartet.
“Es ist noch zu früh, um Schlussfolgerungen über die Situation zu ziehen. Das erste Land zu sein, das Bitcoin einführt, birgt Risiken”, räumt Alexander Higuera ein, ein Experte für Kryptowährungen und Mitglied der Blockchain Foundation Colombia. “Nayid Bukele setzt jedoch auf Langfristigkeit”, sagt er in einem Interview mit dw.com.
Für die bislang so miese Bilanz ist zum einen der Wertverlust beim Bitcoin verantwortlich. Im September 2021 lag der BTC-Umtauschkurs knapp unter 50.000 US-Dollar. Die ersten drei Monate lief alles in die richtige Richtung. Im November 2021 stieg der Bitcoin auf rund 64.400 US-Dollar im November 2021 um dann brutal abzustürzen. Zum Jahrestag der Einführung des Bitcoin-Gesetzes dümpelt die größte Kryptowährung der Welt um die 20.000 US-Dollar.
Entsprechend unter Wasser sind die Bitcoin-Käufe, die Bukele mit Steuermitteln vorgenommen hat. Wie hoch die Verluste bislang ausgefallen sind, kann man nur schätzen, denn Bukele und seine Regierung haben weder den On-Chain- noch den Off-Chain-Standort ihrer angeblichen Bitcoin-Käufe bekannt gegeben,. Beobachter müssen sich also weitgehend auf Bukeles Tweets verlassen.
Die Deutsche Welle (dw.com) hat sich die Mühe gemacht, die von Bukele angekündigten BTC-Käufe in einer Grafik zusammenzutragen:
CoinDesk-Kolumnist David Z. Morris verweist auf Berechnungen, dass die salvadorianischen Bitcoin- Investitionen bis Mitte September 2022 etwa 50 Millionen US-Dollar an nicht realisierten Verlusten verursacht haben.
Es sind aber nicht nur externe Faktoren wie der Krypto-Kurscrash, die die Bitcoin-Bilanz von Bukele trüben. Schon die Einführung des Bitcoin in El Salvador war von peinlichen technischen und administrativen Pannen überschattet. Etliche Bürgerinnen und Bürger, die den Willkommensbonus von umgerechnet 30 US-Dollar einlösen wollten, mussten enttäuscht feststellen, dass jemand mit Hilfe eines Identitätsdiebstahls den Bonus bereits abkassiert hatte. Außerdem zeigten sich die Bitcoin-Geldautomaten des Betreibers Athena Bitcoin als instabil, so dass die Chivo Wallet anfangs keine stabile Geldbörse darstellte. Anfang Dezember übertrug El Salvador die Kontrolle an den scheinbar viel erfahreneren Anbieter AlphaPoint, der ähnliche Arbeiten in 35 Ländern durchgeführt hat. Aber die technischen Pannen hatten dem Projekt bereits großen Schaden zugefügt.
“Wenn es von Anfang an Probleme gibt – und das ist bei einem so ehrgeizigen Projekt nicht ungewöhnlich -, dann sinkt das Vertrauen und der Wunsch, eine Anwendung zu nutzen”, sagt Igor Telyatnikov, Mitbegründer und CEO von AlphaPoint. “Es gab viele [Salvadorianer], die Chivo nutzten, ein Problem hatten und es daraufhin nicht mehr nutzten. … Es geht also darum, das Vertrauen in die Gemeinschaft wiederherzustellen.”
Die Probleme der Salvadorianer mit dem Bitcoin hielten Präsident Bukele nicht davon, weiterhin hochfliegende Pläne zu verkünden. So kündigte er an, dass die Regierung künftig nachhaltige geothermische Energie für das Bitcoin-Mining nutzen würde. Beim Bitcoin-Mining werden große Mengen an Energie verbraucht, was zur Umweltverschmutzung beiträgt, wenn fossile Brennstoffe zur Bereitstellung dieser Energie verwendet werden. Bukele präsentierte seine Pläne für eine “Bitcoin-City” im November 2021. Die Stadt soll am Fuße des Vulkans Conchagua gebaut werden.
Der vorgestellte Stadtplan erinnert an die Form einer Münze. Die Lage der Stadt würde es ermöglichen, geothermische Energie für das Bitcoin-Mining zu nutzen. Bukele erklärte außerdem, dass in der Stadt keine Einkommenssteuern erhoben würden. Konkrete Maßnahmen zum Bau der Bitcoin City sind aber bislang nicht unternommen worden.
Zur Bitcoin-Bilanz in El Salvador gehören aber auch zwei positive Punkte. Zum einen hat die Bitcoin-Politik dem Tourismus des mittelamerikanischen Landes belebt. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 2022 besuchten beinahe 1,2 Millionen Touristen das Land. Dies entspricht einem Anstieg um starke 81 Prozent. Zum anderen kommen jetzt viele Salvadorianer zu günstigeren Konditionen an Geld aus dem Ausland.
Nach einem Bericht von Coinbase geben die Salvadorianer im In- und Ausland jährlich etwa 400 Millionen Dollar für Überweisungsgebühren aus – das ist nicht der Gesamtbetrag, der überwiesen wird, sondern nur die Gebühren. Selbst eine kleine Senkung dieser hohen Summe wäre nicht zu verachten. Die Gebühren für El Salvador betrugen im Jahr 2020 durchschnittlich 2,85 Prozent (was im weltweiten Vergleich bereits recht niedrig ist). Die Bitcoin-Gebühren sind im Allgemeinen weniger als halb so hoch und liegen derzeit bei durchschnittlich 1,28 Prozent.
Kombiniert man die Gebühren zum halben Preis mit 1,9 % von 400 Millionen Dollar, so ergibt sich, dass die Salvadorianer durch die Umstellung auf Bitcoin allein in den ersten acht Monaten knapp 4 Millionen Dollar an Überweisungsgebühren gespart haben. Das entspricht einem zusätzlichen durchschnittlichen Jahreseinkommen von 1.100 Personen in dem kleinen Land.
Unter dem Strich fällt die Bitcoin-Bilanz aber trotz dieser Vorteile in El Salvador negativ aus. Zum einen erschweren die massiven Wertschwankungen des Bitcoin-Wertes den täglichen Umgang als Alltags-Währung. Zum anderen lehnen viele Menschen in El Salvador die Bitcoin-Nutzung ganz grundsätzlich ab, auch weil sie durch die verpatzte Einführung der Chivo-Wallet verunsichert wurden.
Als internationaler Bitcoin-Held taugt Präsident Nayib Bukele aber ohnehin nicht. Nicht nur innenpolitische Gegener werfen Bukele autoritär Tendenzen vor. In das Bild passt auch, dass Bukele seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit angekündigt hat, obwohl drei Artikel der Verfassung dies ausdrücklich untersagen. Allerdings haben die regierungstreuen Verfassungsrichter des Obersten Gerichts dieses Verbot aufgehoben.
Quellen:
DW.com – Bitcoin en El Salvador: doce meses no son suficientes – https://p.dw.com/p/4GXbO
Coindesk – Bitcoin City: El Salvador’s Dreams for Utopia on Hold – https://www.coindesk.com/business/2022/03/25/bitcoin-city-el-salvadors-dreams-for-utopia-on-hold/